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Dieses Thema hat 4 Antworten
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 Zwischenspiel-Archiv
Ragnar Starkardsson Offline




Beiträge: 937

13.11.2013 13:30
RE: Zwischenspiel Ragnar Thread geschlossen

Sorgfältig packte ich am Morgen meiner Abreise mein verbleibendes Hab und Gut zusammen. Kaum zu glauben, dass alle Farbtiegel die Reise gut überstanden haben und nicht zerbrochen sind. Allerdings sind mir ein paar meiner Farben eingetrocknet, was ich sicherlich der verdammten Wüstenluft zu verdanken habe. Orleif wird mir dafür sicherlich wieder ordentlich Silber vom Arm ziehen wenn ich zum ihm gehe um neue zu kaufen. Hauptsache es gab keine Sauerei in meinem Beutel.
Vorsichtig verschloss ich meinen Rucksack und nahm meinen Stab in die Hand. Das Holz fühlte sich kühl an, viel kühler als die Luft die uns hier in diesem Drecksloch Selem umgab. Die Stadt stank an jeder Ecke und ich habe sicherlich den einen oder anderen Stein Gewicht verloren. Den Eintopf, den man uns in dem Schuppen, den man hier Herberge schimpft, vorsetzte habe ich nicht angefasst. Kühe und Schweine sah ich in Selem kaum, dafür Ratten zu genüge. Ich musste nicht weit denken um eine Vermutung zu haben aus welchen Bestandteilen der Fraß hier bestand.

Es kam mir sehr gelegen, dass ich bereits bei meiner ersten Anfrage in der Hafenmeisterei eine Überfahr nach Havena als Weiterreisemöglichkeit fand. Von dort aus sollte es nicht allzu schwer sein nach Thorwal oder sogar direkt nach Olport zu kommen.
Ich verabschiedete mich von meinen neuen Gefährten, mit denen ich in den letzten Wochen sehr viel Merkwürdiges erlebt hatte. Zwischendurch hoffte ich, dass ich lediglich sturzbesoffen in meinem Bett liege und dass alles nur ein „Premertraum“ sei, aus dem ich nur aufwachen müsste. Meine wunden, die sich zwar verschlossen hatten, aber noch immer schmerzten, erinnerten mich immer daran, dass der Traum doch sehr wohl Realität war. Verdammte Axt, wie war es uns nur möglich auf Satinavs Strom rückwärts zu segeln und wann riss uns die Strömung wieder mit in unsere Zeit?
Bevor ich die Gruppe verließ notierte ich allen, wo man mich finden konnte, wenn der Bedarf danach war. Auch wenn die Halle der Winde offiziell nicht mehr zu den Rübenköpfen der grauen Gilde gehörte, trafen dennoch regelmäßig Reiter aus allen Teilen des Kontinents bei uns ein um Nachrichten aus anderen Akademien und ehemaligen Scholaren der Halle zu bringen.

Ich verließ die Bruchbude und war glücklich das Meer wiedersehen zu können. Leider wurde meine Freude deutlich gedämpft, als ich den Haufen Altholz sah, der da am Anlegesteg vor sich hin dümpelte. Der Name des Schiffes „Schaumkrone“ bezog sich offensichtlich auf die Art der wichtigsten Ladung, die das Schiff transportierte. Der Kahn brachte regelmäßig Bier von der Westküste zu den Städten des Südmeeres, in denen Bier ob des Klimas wohl nur schwer zu brauen war. Zumindest erschloss sich mir der Eindruck in Selem.
Mit der Überzeugung, dass das Schiff den nächsten Möwenschiss nicht überleben würde, betrat ich die Planken des Kahns und konnte auch gleich meine Kabine beziehen. Kabine war jedoch stark übertrieben. Der Verschlag bot nur meiner Ausrüstung und einer viel zu kurzen Hängematte Platz. Ich überlegte, ob es dann nicht besser sei gleich auf Deck unter freiem Himmel zu schlafen. Warm genug war es. Da ich die Kabine allerdings bereits bezahlt hatte, legte ich zumindest schon mal mein Gepäck ab und ging wieder auf Deck.
Kurz darauf legte das Schiff auch schon ab. Ich stand vorne am Bug und genoss die frische Meeresluft in meinen Lungen und das Gefühl, wie sich leicht das Salz des Meeres auf meiner Haut ablegte. Schneller als ich es dem Eimer mit Segeln zugetraut hätte, entfernten wir uns auch bereits vom Land. Ich blickte kurz zurück und dachte an meine Gefährten und die Reise die ihnen bevorstand. Zurück nach Mherwed, und das zu Fuß.

Bei dem Gedanken an Mherwed musst ich auch wieder an den Nekromanten denken, der uns in der Tempelanlage fast das Leben gekostet hätte. Noch heute frage ich mich warum Yamira mich damals auf dem Basar von Mherwed aufgehalten hat. Mitten auf dem Basar hätte ich ihm eine reinzimmern können, ohne dass er sich hätte groß verteidigen können. Einen Dämon vor all den Menschen zu beschwören hätte er sicherlich nicht gewagt. Unsere Chancen hätten gut gestanden dem Ganzen ein besseres Ende bescheren zu können. Nun ist dieser rote Stein verschwunden und ich habe das ungute Gefühl, dass er uns noch Kummer bereiten wird.
Während dieser Gedanken fällt mein Blick auf meine Unterarme. Dort wo die Rötung nachgelassen hatte, schälte sich dünn die Haut ab. Die Hitze und das Licht in diesen Landen waren zuviel für einen Mann aus dem Norden. Vorsichtig zog ich einen Hautfetzen vom Arm. Dabei musste ich an die einbalsamierten Echsenwesen denken, die in der Tempelanlage waren. Welchen Gedanken trug Hrangar und seine Brut mit sich, dass sie regelmäßig Ihre Haut abwarfen? War es, weil sie sich damit vor jemandem unkenntlich machen wollten? Erhofften sie sich, dass wenn sie Ihre Haut abwarfen Swafnir und Efferd sie nicht mehr erkennen mögen?
Ich muss daran denken in der Halle nach Aufzeichnungen zu diesem Phänomen zu suchen.
Doch nicht vor einem kühlen würzigem Bier, einem Besuch in der Schwitzhalle und einem Ringkampf im Heu mit einer kühnen rothaarigen… in genau dieser Reihenfolge.

Doch nun bin ich erst mal froh, wenn ich die Überfahrt nach Havena überstehe.

[ Editiert von Ragnar Starkardsson am 13.11.13 13:31 ]

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Mahatma Gandhi

Ragnar Starkardsson Offline




Beiträge: 937

14.11.2013 10:24
#2 RE: Zwischenspiel Ragnar Thread geschlossen

Die Reise nach Havena erwies sich als Ereignislos. Zu meiner Überraschung hat der Teer- und Bretterhaufen den der Kapitän stolz „meine Kleine“ nennt die Überfahrt ohne Schaden überstanden. Die ruhige See während der letzten Wochen hat dies bestimmt begünstigt. Bereits aus der Ferne ließ sich der typische Geruch von Kaminfeuern und großen Menschenansammlungen wahrnehmen. Wer den klaren frischen Wind aus dem Norden kennt, wird den Unterschied schnell bemerken.
Bevor wir anlegten packte ich mein weniges Hab und Gut zusammen. Dem Rest, den ich in der Wüste ließ, trauerte ich nicht hinterher. Alles Dinge ohne großen Wert die sich ersetzen ließen. Die Lappen die sich früher meine Kleidung nannten waren allerdings dringend erneuerungsbedürftig. Seit Wochen steckte ich in diesen Klamotten und auch wenn sie in der Wüste angenehm zu tragen waren, für das Meer war diese Kleidung nicht geeignet. Die Ärmel hatte ich bereits kurz nach dem Ablegen von Selem abgerissen, da sie mir einfach viel zu weit und unpraktisch erschienen.

Das Schiff näherte sich dem Hafen und ich stand bereits an der Reling bereit um schnellstmöglich von Bord zu gehen.
Kurz darauf machten wir auch schon im Hafen Havenas fest. Schnell bemerkte ich, dass man mir oft einen missbilligenden Blick zuwarf. Als Angehöriger eines Volkes, das für seine Plünderungszüge an der Westküste bekannt ist, musste man damit rechnen und umzugehen wissen. Wenn man es positiv sah, hatte ich so zumindest immer gut Platz in den engen Gassen, es war von Vorteil wenn viele Leute versuchten einen Bogen um einen zu machen.

Von dem Geld, das ich in meinem Abenteuer erwarb gönnte ich mir zuerst eine ordentliche Bart und Haarpflege. Ich sah furchtbar aus. Die Wüstenluft und die wochenlange Reise hatten Ihre Spuren hinterlassen. Mir wurde ein Barbier empfohlen, der seine Arbeit wohl gut verstand. Ein kurzer lustiger Spruch der die Elemente „Unzufrieden“ und „Arm auskugeln“ beinhaltete wurde wohl falsch aufgefasst, denn der Barbier zitterte so dermaßen am ganzen Leib, dass er kaum seine Schere halten konnte. Nachdem Besuch bei dem Barbier kaufte ich mir auch dann gleich meine neue Kleidung. Es tat gut wieder in ordentlichem Tuch herumzulaufen.

Leider musste ich meinen Aufenthalt in Havena bis auf fast 2 Wochen ausdehnen, da in der Zwischenzeit kein Schiff den Kurs weit genug nach Norden setzte. So trieb ich mich mehrere Tage in den Gassen der Stadt umher. Während eines abendlichen Tavernenbesuches lernte ich einen Mann namens Bendar kennen. Er kam aus Andergast und erzählte mir Stuss über einen vierarmigen Oger, der sich im Steineichenwald herumtreiben sollte und arglose Reisende zum Wettkampf herausforderte. Neben dieser und anderer haarsträubender Geschichten neigte er auch sehr dazu Possen zu reißen, womit er mich oftmals sehr zum Lachen brachte. Einmal prustete ich sogar so in mein Bier, dass meine Kleidung komplett nass wurde. Er hatte einem jungen Ding, dem die Brüste nur zu sprungfreudig aus dem Mieder standen, spontan einen Heiratsantrag gemacht und dann nur allzu nette Worte für Ihr Äußeres fand. Das tat er genau so lange bis die nächste hübsche Dame hereinkam, nur um dann bei ihr das Spiel von neuem zu beginnen.
Während meiner Zeit in Havena trafen er und ich uns des Öfteren. Es war gut, zumindest ein etwas vertrautes Gesicht in der Fremde zu haben. Er erzählte mir, dass er nur in Havena sei, weil seine Schwiegermutter zu Besuch nach Andergast gekommen sei und auch bald wieder nach Hause aufbrechen werde. Doch um ehrlich zu sein, wusste ich nicht, bei all den Geschichten die er auf Lager hatte, ob dies auch wirklich die Wahrheit sein sollte.

Am Tag meiner Abreise verabschiedete ich mich von ihm und wir versprachen uns zu schreiben.

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Ragnar Starkardsson Offline




Beiträge: 937

18.11.2013 19:36
#3 RE: Zwischenspiel Ragnar Thread geschlossen

Die Überfahrt nach Olport erwies sich als weniger angenehm, dafür deutlich aufregender als die Fahrt von Selem nach Havena.
Nur knapp einen Tag nach dem wir in See stachen rief der erste Maat nach dem Kapitän des Schiffes. Man hatte einen blinden Passagier im Frachtraum des Schiffes aufgefunden. Wie es auf den Schiffen der südlicheren Länder üblich war, erwartete man nun vom Kapitän einen Urteilsspruch über die nähere Zukunft des blinden Passagiers.
Ich saß zu dieser Zeit vorne am Bug des Schiffes und übte mich am Schnitzen einer einfachen Rune. Das Holz dafür hatte ich dem Schiffszimmermann abschwatzen können, der glaubte mich im Armdrücken besiegen zu können. Ich mochte dann und wann eine Kutte tragen, doch deswegen sollte man den Arm eines Thorwalers noch lange nicht unterschätzen.

Ich stand also auf und ging Richtung Mitteldeck wo sich bereits der größte Teil der Schiffsbesatzung versammelt hatte. Aufgrund meiner Größe war es mir ein einfaches über die Köpfe der anderen hinwegzusehen. Für einen kurzen Augenblick wurde mir Flau im Magen. Ich kannte den Mann, den der erste Maat dort im Kreis der Besatzung festhielt… Es war Bendar, mein Bekannter, den ich in Havena kennen gelernt hatte. Ich bahnte mir einen Weg durch die Frauen und Männer und kam im gleichen Augenblick wie der Kapitän an. Dem Mann stand die Wut förmlich in sein Gesicht geschrieben und gerade als er zu schreien beginnen wollte, fuhr ich ihm dazwischen. „Halt“, schrie ich. „Der Mann gehört zu mir“. Bendar, der mich offensichtlich bislang nicht bemerkt hatte, fuhr herum. Alle Augen richteten sich inzwischen auf mich. Mit hochrotem Kopf kam der Kapitän auf mich zu. Er versuchte sich vor mir aufzubauen, musste aber dennoch den Kopf weit in den Nacken legen um mir in die Augen zu sehen. „Der gehört zu Euch? Was schmuggelt Ihr einen Mann auf mein Schiff ohne mir davon zu berichten und dafür zu bezahlen?“

Mit unbewegter Mine griff ich an meine linke Hand und zog einen goldenen Ring vom Finger und drückte ihn dem Kapitän in die Faust.
„Reicht das für die Fahrt?“ fragte ich den Kapitän und stützte mich dabei demonstrativ auf meinen Stab. Grimmig blickte der Kapitän auf das Schmuckstück, das mit thorwalschen Ornamenten verziert war. Prüfend biss er darauf und als er sah, dass seine Zähne einen leichten Eindruck auf dem Ring hinterließen hellte sich sein Gemüt etwas auf. „Meinetwegen, aber dass auf meinem Schiff noch etwas Unvorhergesehenes Geschieht, Herr Thorwaler. Ich bin kein Freund von Überraschungen die mir auf meinem eigenen Schiff begegnen.“ Nach diesen Worten drehte sich der Kapitän um und stampfte wütenden Schrittes zurück in seine Kabine. Die Mannschaft ging auch wieder zurück an Ihre Arbeit, so dass Bendar und ich bald alleine auf dem Mitteldeck standen. Einzig der erste Maat schien uns von seinem Posten neben dem Steuermann noch misstrauisch zu beobachten.

„Verdammte Axt“ entfuhr es mir. „Wer hat Dir denn in’s Hirn geschissen dass Du Dich als blinder Passagier auf einem Schiff versteckst“. Bendar wich meinem Blick aus und blickte zu Boden. „Es… es sollte so nicht laufen. Ich hatte geplant mit Dir nach Thorwal zu reisen. Ich wollte da schon immer mal hin. Thorwal ist doch die Stadt der Freien, oder?“. Ich blickte Bendar verdutzt an. „Und was ist mit Deiner Frau in Andergast?“ fragte ich ihn. Bendar wurde noch kleinlauter. „Die Alte hat mich vor Monden schon verlassen. Hat mir alles genommen. Ich bin nach Havena gekommen um neu anzufangen. .. wollte mir aber nicht recht gelingen. Da dachte ich mir, wenn in Thorwal jeder Frei ist, habe ich eine bessere Chance. Ich bin völlig Pleite, ich hab kein Geld mehr in der Tasche.“.
Ich legte Bendar meine Hand auf die Schulter und klopfte mit meinem Stab leicht gegen seinen Schädel. „Dann habe ich eine Überraschung für Dich. Das Schiff fährt nicht zur Stadt Thorwal. Es fährt über Overthorn nach Olport. In den Golf von Prem fahren wir gar nicht.“

So vergingen die Tage auf See. Bendar musste sich trotz meiner Bezahlung auf dem Schiff nützlich machen. Obwohl er sich mir gegenüber normal verhielt wurde doch mein Misstrauen geweckt. Wenn er mich bereits einmal angelogen hatte, wer garantierte mir, dass er es nicht wieder getan hatte? In den Tagen auf See erwischte ich mich immer wieder dabei, dass ich ihn beobachtete und mir Gedanken über ihn machte. Bei schwerem Seegang kotzte er sich die Eingeweide raus, also war er kein erfahrener Seemann. Nachdem er seine Arbeit getan hatte, zeigte er wenig Interesse an gesellschaftlichem Umgang mit den anderen Besatzungsmitgliedern. Es war, als würde er sich immer in meiner Nähe aufhalten wollten. Zur Vorsorge begann ich damit wilde Geschichten über meine Abenteuer mit dem Weibsvolk zu erzählen. Zu meiner Beruhigung stimmte er mit ein und erzählte auch von sich und seinen Eskapaden mit allerlei Hafendirnen.
Mein Misstrauen gegen Bendar schwand mit der Zeit, da er keinerlei verdächtiges Verhalten zeigte. Daher schlug ich ihm vor, ihm eine Arbeit in der Halle der Winde zu besorgen. Im Norden war das Wetter rauh und ständig musste etwas an den Gebäuden repariert werden. Ställe zum Ausmisten waren ebenfalls zu Genüge vorhanden, auch das Vieh wollte regelmäßig gefüttert werden.

Während ich versuchte mir meine Fähigkeiten in der Runenherstellung zu verbessern erzählte er mir von den Ländern, in denen er seit der Trennung von seiner Frau war. Er erzählte von wilden Nächten in den südlichen Ländern, vom rauen Leben an der Nordostküste des Kontinents und den goldenen Dächern der Kaiserstadt. Bendar schien wirklich sehr weit herumgekommen zu sein. Erstaunlich, dass er nirgends Fuß fassen konnte.
Nach weiteren Tagen auf See und einem kurzen Aufenthalt in Overthorn kamen wir endlich in Olport an. Hoch über den Klippen der Steilküste wusste ich um die Halle der Winde, auch wenn man sie vom Deck des Schiffes aus nicht sehen konnte. Die See war ruhig, doch der Wind war schneidend kalt. Sogar ungewöhnlich kalt, doch das konnte immer wieder geschehen. Firun war nicht für seine Milde bekannt.
Nur wenige Stunden später kamen wir dann in der Halle der Winde an. Nach dem unser Schiff angelegt hatte, bezahlten wir einen Ochsenkarren dafür, dass er uns zur Halle bringen würde. Bendar hatte wohl ein etwas edleres Fortbewegungsmittel für die Fahrt zur Halle erwartet, doch da er nicht laufen wollte, sprang er letztendlich doch auf.

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Ragnar Starkardsson Offline




Beiträge: 937

18.11.2013 21:25
#4 RE: Zwischenspiel Ragnar Thread geschlossen

An der Akademie ließ ich Bendar zuerst in ein Gästezimmer bringen, damit ich den Magistern in Ruhe von meiner Reise berichten konnte. Immerhin hatte ich einen Auftrag erhalten, den ich nicht ausgeführt hatte. Dafür erlebte ich ein Abenteuer, um das mich so mancher Skalde beneiden würde.
Noch bevor ich mein weniges Reisegepäck auf mein Zimmer brachte, berichtere ich also den Magistern und der Akademieleitung von meinen Erlebnissen. Besonders besorgt reagierten sie, als ich auf die Echsenwesen zu sprechen kam und den damit verbundenen Stein, der mit dem Magier vor unseren Augen verschwand. Jemand der sich Artefakten von Hrangarsgezücht bediente und es versteht den Strom der Zeit rückwärts fließen zu lassen veranlasste die Akademieleitung zu wilden Spekulationen über ein Erstarken des Hrangarkultes. Ich konnte diese These nicht mit Fakten widerlegen, doch ich hatte das Gefühl, das etwas anderes hinter der Sache steckte. Die Anwesenden verblieben dabei, die Kontakte zur grauen Gilde zu nutzen, die der Halle noch nicht vollständig den Rücken zugekehrt hatten. Irgendjemand wusste vielleicht mehr über diesen merkwürdigen Stein, den meine Gefährten und ich in der Khom gefunden hatten.
Nach der Besprechung entließ man mich und ich konnte endlich auf mein Zimmer gehen. Ich tauschte meine Kleidung, die während der Fahrt doch arg gelitten hatte und nahm mir frische Kleidung aus dem Schrank.

Drei Wochen später.

Bendar hatte ich gut in der Akademie eingelebt. Er erledigte alle Aufgaben zur vollen Zufriedenheit der Akademieleitung und erhielt auch seinen Lohn für die Arbeit. Er wirkte ausgeglichener als zuvor und fast meinte ich, er hätte hier sesshaft werden können. Während seiner Freizeit sah ich ihn auch immer seltener in der Halle. Oft verschwand er gleich nach seiner Arbeit in die Stadt. Ich hoffte für ihn, dass er dort eine starke Frau gefunden hatte, die ihm mal so ordentlich den Staub von der Reling putzte.
In den letzten Wochen kam ich erst richtig dazu mir über das erlebte Gedanken zu machen. Etwas Merkwürdiges geschah mit mir, meinen Gefährten und um uns herum. Meine Gefährten… ich machte mir Gedanken um sie. Ob sie es wohl alle gesund nach Mherwed geschafft hatten?. Oder sind sie gleich nach unserer Trennung wieder in das nächste Abenteuer gestolpert? Seetigerscheisse… ich wäre gerne bei ihnen gewesen. Dass der eine Magier mit dem Stein verschwand und ein anderer, der Dämonen aus den Niederhöllen herbeirief als wären es zahme Hunde, verhieß nichts Gutes. Alleine dass wir versuchten die Männer daran zu hindern zog uns, so wie ich befürchtete in einen Strudel der Ereignisse, von dem ich nicht wusste, ob ich ihn würde umfahren können.

Ich begann also damit wieder am Unterricht teilzunehmen und meine Studien über die Runen erneut aufzunehmen. Während meiner Abwesenheit hatte man vereinzelte Fortschritte machen können und ein paar der alten Texte, die den Umgang mit den Runen erläuterten, entschlüsseln können.

Nach ein paar Tagen fühlte ich mich wieder voll bei Kräften und inzwischen gelang es mir auch wieder mich voll auf eine Sache zu konzentrieren, ohne dass meine Gedanken allzu sehr abschweiften. So beschloss ich für den kommenden Windstag einen weiteren Stabzauber auf meinen Stab zu sprechen. Ich hatte dies eigentlich für einen späteren Zeitpunkt geplant, doch die Ereignisse trieben mich innerlich dazu mich vorzubereiten… auf was auch immer. Ebenfalls nahm ich es mir vor meine Studien zur Beherrschung der Verwandlungsmagie zu vertiefen. Zu vieles hätte einfacher sein können, wäre ich nur fähiger gewesen.
Über Bendar verlor ich inzwischen nicht mehr viele Gedanken. Er war oft unterwegs, manchmal im Dienste der Halle, manchmal auf eigene Faust. Wohl doch eine Frau die ihm zeigte, dass der Norden so richtig hart sein kann. Ich musste bei dem Gedanken schmunzeln.
Meine Vorbereitungen für das Ritual am Windstag liefen gut. Am Tag zuvor ich beschloss das Ritual oben auf den Klippen durchzuführen, kurz vor Sonnenaufgang, damit der Stab und ich die Wandlung der Nacht zum Tage miterleben konnten. Am Abend gesellte sich zu meiner Überraschung Bendar zu mir. Er wirkte an diesem Abend ungewöhnlich verschlossen, gar nicht so, wie ich ihn in den letzten Wochen gesehen hatte. Ich fragte ihn zum Scherz, ob man ihm die Eier abgeritten hatte und er diese nun vermisse. Bendar blickte mich kurz ernst an, doch dann ergab er sich in ein schallendes Lachen, in das ich nur allzu gerne einstimmte. Ich erzählte von meinem Vorhaben am nächsten Morgen und Bendar hörte mir interessiert zu. Nachdem ich geendet hatte, verriet er mir, dass der Grund für sein bedrücktes Wesen dass er beschlossen hatte weiter zu reisen. Olport habe ihm zwar das eine oder andere zu bieten, doch er vermisse doch einige Annehmlichkeiten, die es im Mittelreich wohl zu genüge gab. Ich vermutete das Wetter hinter seiner Absicht… oder eine schwangere Thorwalerin… .

Er hatte sich die Abreise für den kommenden Tag vorgenommen. Er wollte früh morgens aufbrechen, so dass wir uns leider nicht mehr würden sehen können, da ich ja am Morgen mein Ritual durchführen wollte. Also verabschiedeten wir uns an diesem Abend indem wir das eine oder andere Bier tranken. Allzu viel konnte ich leider nicht trinken, da ich für das kommende Ritual einen klaren Kopf brauchte. Kurz bevor wir uns auf unsere Zimmer begeben wollten schüttelten wir uns zum Abschied die Hände. Bendar wirkte dabei wieder sehr ernst, blickte mir tief in die Augen und dreht sich dann nach einem Wort des Abschiedes um und ging. Ich konnte mir keinen Reim darauf machen, was seine plötzliche Ernsthaftigkeit zu bedeuten hatte.
Ich wachte am frühen Morgen auf. Durch die Fenster drang das Grollen von Donner und das Rauschen von Regen, also der Klang von gutem thorwalschen Wetter. Ich zog mir warme Kleidung und einen Umhang der mit Seetigerfett behandelt wurde, damit der Regen nicht gleich bis an die Haut drang. Ich packte alles was ich für das Ritual benötigte zusammen in einen Beutel, nahm meinen Stab und machte mich auf in Richtung der Klippen. Bendars Zimmer war bereits verlassen… er hatte es wohl wirklich eilig Olport zu verlassen. „Doch die schwangere Thorwalerin“ ging es mir belustigt durch den Kopf. Im Strömenden Regen erreichte ich eine knappe halbe Stunde später die Klippen. Der Weg war beschwerlich, da der Regen den Boden in tiefen Matsch verwandelt hatte. Oftmals sank ich bis zu den Waden ein und oft gelang es mir nur mit Mühe mich aus dem Matsch zu stemmen.

Ich suchte mit einen flachen Felsen der für meine Zwecke genügte. Ich legte alle Utensilien auf den Stein und bereitete mich auf das Ritual vor. Ich konnte direkt auf das Meer blicken. Blitze zuckten auf die Wogen und brachten den Himmel kurzzeitig zum Leuchten. Der Regen peitschte mir mit jeder Böe ins Gesicht und unter mit donnerten die Wellen mächtig gegen die Klippen. Ein wundervolles Ereignis, dass die Welt vollständig anders aussehen ließ, ein Morgen, an dem man die Elemente spürte, wie sie einem an der Kleidung rissen und versuchten unter meine Kleidung zu gelangen. Meine langen Haare klebten mit in Strähnen vom Wind getrieben im Gesicht, aus meinem Bart tropfte der Regen.
Es war schwer sich bei diesem Wetter auf die Durchführung des Rituals zu konzentrieren, doch nach ein paar Minuten konnte ich mich mit den Elementen eins fühlen und meine Sinne auf das Wesentliche konzentrieren. Ich vertiefte mich in die Durchführung des Stabzaubers, besann mich alter hjaldingschen Texte die von Willensstärke und Durchhaltevermögen erzählten und ließ die Kraft, die ich nun zu einem Zauber wob in den Stab fließen. Ich verlor jedes Gefühl für die Zeit. Mit einem Mal, als hätte man einer Jahrmarktspuppe die Fäden durchschnitten, sackte ich zusammen. Ich stützte mich mit den Händen auf den Felsen. Dicke Tropfen fielen von meinen Haarsträhnen auf den Fels, auf dem der Stab lag. Mein Blick heftete sich auf den Stab. Er sah nicht anders aus als zuvor, doch das tat er nie, nachdem er mit einem neuen Zauber belegt wurde. Unsicher, ob mir das Ritual gelungen war oder nicht, erhob ich mich wieder auf meine Knie. Erneut zuckten Blitze durch den Himmel und ließen alles in einem unwirklichen grau-blau erscheinen.

Ich wusste, dass es nur zwei Möglichkeiten gab um festzustellen, ob das Ritual erfolgreich war. Die erste Möglichkeit war, den Stabzauber auszulösen, was jedoch ein gewisses Risiko mit sich brachte. Sollte ich den Zauber fehlerhaft auf den Stab gelegt haben, so konnte es verheerende Folgen haben ihn zu benutzen.
Die zweite Möglichkeit bestand darin einen Analys auf den Stab zu sprechen. Nur so konnte ich mir die Arkane Matrix betrachten und feststellen ob sie stabil in den Stab eingebettet wurde.

Ich sammelte also meine verbleibenden Kräfte und konzentrierte mich auf den Zauber. Nur einen kurzen Augenblick nachdem ich die Formel gesprochen hatte, leuchtete der Stab in warmen Rot auf. Ich senkte mich erneut auf die Handflächen um die feinen Linien, die den Stab durchzogen, näher zu betrachten. Sie flossen ruhig und gleichmäßig… ein gutes Zeichen. Ich griff zu dem Stab, als ich hinter mir das typische schmatzende Geräusch, das entstand wenn man seinen Fuß aus dem Schlamm zog, vernahm. Ich drehte mich erschrocken um und sah vor mir eine grell rot leuchtende Gestalt. Der Analys, der wirkte noch… Ich konnte ob des Leuchtens kein Gesicht erkennen, doch die Stimme, die ich hörte war eine wohl vertraute… Es war meine eigene.
Ein Blitz erhellte die Gestalt vor mir und tatsächlich, das Licht enthüllte mir mein Antlitz. Vor mir Stand Ragnar Starkardsson, selbst der Bart war auf die identische Art geflochten. Die Gestalt kam einen Schritt näher, das rote glühen verschwand. Gegen den Wind brüllend schrie ich mich selbst an. „Was bist Du für ein Ungetüm… dass Du mein Gesicht trägst und doch nicht ich bist“. Ein weiterer Blitz ließ mich ein spöttisches Grinsen auf dem Gesicht meines Gegenübers erkennen. „Wer ich bin? Ich bin Du, siehst Du das denn nicht? Und ich werde Deinen Platz einnehmen solange es mir Freude bereitet, mein Freund.“ Erwiderte mir mein Ebenbild. Doch da war etwas, das mir vertraut vorkam, nicht von mir selbst. Es war die Art wie sich die Person bewegte. Ich konnte nicht genau sagen was es war, welche Geste es verriet, doch ich kannte das Wesen hinter der Maske, die mein Gesicht zeigte. „Bendar, bist Du das? Bendar, warum tust Du das, was.. was bist Du.“ Rief ich gegen den Wind. „Bendar, das war ich mal. Du Trottel hast es zugelassen, dass ich Deine Angewohnheiten zu eigen machen konnte. Lange genug habe ich Dich beobachtet.“ verspottete mich das Wesen. Ich rappelte mich auf und blickte mir nun selbst auf Augenhöhe in die Augen. Noch konnte ich es nicht richtig glauben und versuchte zu verstehen als mich mein Gegenüber unvermittelt angriff. „Schön blöd so nahe an den Klippen zu stehen, Freund.“ rief mir Bendar, oder was er auch immer war, zu. Schnell verpasste er mir einen Kinnhaken und einen Tritt in die Magengrube. Ich hustete und krümmte mich kurz nach vorne.
Er setzte zu einem neuen Schlag an, doch diesen konnte ich abfangen und trieb ihm nun selbst meine Faust in die Nierengegend. Das Wesen keuchte auf, doch setzte sofort nach. Es versuchte mich in den Schwitzkasten zu bringen, doch ich konnte mich seinem Griff entziehen in dem ich mich unter seinem Arm wegduckte. Er hatte offenbar Probleme sich im Matsch zu bewegen. Das konnte ich zu meinem Vorteil nutzen, denn ich bin hier aufgewachsen, ich wusste wie man sich bewegen musste. Schnell brachte ich mich hinter ihn und konnte Ihn von Hinten in einen Haltegriff bringen, indem ich unter seinen Armen hindurchgriff und meine Hände in seinem Nacken verschränkte. Das Wesen tobte herum und ich fühlte, dass es immer stärker wurde. Offenbar hatte Bendar… das Wesen viel Kraft aufbringen müssen um meine Gestalt anzunehmen, die es nun langsam wieder zurückgewann. Die Zeit arbeitete gegen mich. Plötzlich durchfuhr ein starker Schmerz meinen Kopf. Das Wesen hatte den Kopf nach hinten geworfen und gegen meine Stirn geschmettert. Es wurde mir kurz dunkel vor den Augen. Ich sackte zusammen doch ich verlor nicht das Bewusstsein. Als ich meine Augen öffnete sah ich vor mir eine Pfütze, in die mein Blut floss. Meine Stirn blutete. Das Wesen sah ich nicht. Der Regen und das Blut verklebten mir die Augen. Ich versuchte etwas zu erkennen und stolperte mehr schlecht als recht vor mich hin. Zwar konnte ich ihn nicht sehen doch ich spürte seine Anwesenheit. Ich verfluchte mich dafür, dass ich meine ganze Kraft für den Stabzauber und den Analys aufgewendet hatte. Ein gut platzierter Blitz Dich Find hätte hier Wunder bewirken können. Ich stolperte auf einen Felsen. Ich fiel nach vorne und meine Hand kam auf meinem Stab, der noch immer auf dem Felsen lag zum Liegen. Ich konnte nun erahnen wo ich war, doch leider sah ich noch immer nichts. Vor mir hörte ich das wieder das donnern der Wellen an den Klippen, so dass mich in etwa orientieren konnte. Ich versuchte wieder Blut und Wasser aus den Augen zu wischen, doch mehr als eine verschwommene Sicht bekam ich nicht hin. Hinter mir hörte ich schneller werdende Schritte. Dieses Mal stärker und sicherer… ein wütendes Brüllen hinter mir ertönte. Er wollte mich von den Klippen stoßen. Ich wirbelte herum, tat einen Schritt zur Seite und wirbelte den Stab um mich in einem Kreis herum. Ich spürte, dass der Stab etwas traf, das Brüllen erstarb und wich einem Schmerzensschrei. Dann ein stockendes Geräusch und ein Schrei. Das Wesen musste über den flachen Fels gestolpert und die Klippen hinabgestürzt sein. Ich sank in die Knie und schnaufte schwer. Mein Schädel schmerzte und langsam nahm ich das Geräusch des Regens und des Donners wieder wahr. Aus einer Pfütze die ich vor mir erfühlte nahm ich Wasser und versuchte mir meine Augen so gut es ging auszuwaschen. Es gelang mir einigermaßen. Ich blickte mich um, und tatsächlich, das Wesen, das aussah wie ich, war fort.
Ich nahm meinen Stab, der mir aus der Hand gefallen war, wieder in die Hand und zog mich an ihm hoch. Ich blickte über die Klippen, doch ich konnte nichts erkennen. Das Wesen war fort. Es war nicht möglich festzustellen ob es an den Felsen zerschellt war, oder ob es mit dem Leben davon kam.

Ich wurde mir bewusst, dass wenn ich mit dem Leben davonkommen wollte, ich mich nun zur Halle schleppen musste. Kraft für einen Balsam bekam ich nun erst recht nicht zustande.

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Mahatma Gandhi

Ragnar Starkardsson Offline




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20.11.2013 21:23
#5 RE: Zwischenspiel Ragnar Thread geschlossen

4 Winter später...

Ich saß in meiner abgedunkelten Stube die nur von einem Talglicht erhellt wurde.
Mit ruhiger Hand führte ich den Pinsel über das Papier das vor mir auf dem Tisch lag. Stolz betrachtete ich den Walknoten den ich in einer besonders komplizierten Flechtung gemalt hatte und mir dieses mal sehr gut gelungen war.
Es war mir gelungen Symbolrunen in das Muster einzubauen, von denen ich nicht erwartet hätte sie in dem Walknoten unterzubringen.

Es klopfte leise an der Tür.
Nachdem ich den Besucher aufforderte hereinzukommen öffnete sich langsam die Tür. Ein junger Mann betrat meine Stube, es war Olef, der diese Woche dran war, das gebrauchte Geschirr aus den Kammern der Scholaren und Magister zu holen und abzuwaschen. Er nahm einen Holzteller von der Komode, auf der noch eine einsame trockene Käserinde lag, prüfte noch noch mein Thin darauf ob noch genügend zu trinken darin sei und füllte es mit Bier aus einem mitgebrachten Krug wieder auf.

"Benötigst Du noch etwas, Ragnar?" fragte mich der junge Mann, der wohl gerade an die 14 Winter zählte.
"Nein, danke, ich brauche heute nichts mehr." entgegnete ich ihm müde. "Und wenn doch, dann hole ich es mir selbst. Danke."
Olef nickte und ging in Richtung Tür. "Dann gute Nacht. Bis Morgen".
Ich fuhr hoch. "Gute Nacht? Sag, wie spät ist es denn eigentlich?" entfuhr es mir erstaunt.
"Es ist bereits später Abend, ich muss nur noch Dein Geschirr waschen, dann bin ich auch fertig für heute." antwortete mir Olef.

Ich war wohl wieder den halben Tag in Gedanken versunken und hatte nicht bemerkt, wie die Zeit verrann.
Olef blickte kurz verunsichert zu mir, bevor er die Stube verließ und die Tür hinter sich verschloss. Ich stand auf und spürte wie mein Rücken protestierend schmerzte.
Wieder hatte ich fast einen Tag nur an meinem Tisch gesessen und den Tag verpasst. Dies geschah mir in den letzten Monaten viel zu häufig.
Es war eine Sache, ob man über den Büchern brütend lernte oder betrunken mit dem Kopf auf dem Tisch einschlief. Aber es war eine andere Sache, wenn man Zeit vergaß am Leben teilzunehmen.
Wenn ich an mir herunterblickte ließ sich meine Trägheit auch nicht übersehen. So wölbte sich unter meinem Hemd ein inzwischen deutlich sichtbarer Bauchansatz und mein Reiseumhang roch muffig aus dem Schrank heraus.
Ich streckte mich... meine Gelenke knackten und krachten. Ich öffnete das Fenster und ließ etwas frische Kühle Luft herein. Wie wirkte belebend und klärend, so dass ich beschloß noch ein wenig am offenen Fenster zu bleiben.
Von meiner Stube aus konnte ich in Richtung der Klippen sehen, auf denen ich damals den Kampf mit Bendar, mit diesem fremden Wesen austrug. Wenige Wochen nach dieser Begegnung hatte ich herausfinden können, dass es sich bei dem Wesen wohl um einen Andermann handelte. Ein reisender Skalde, der für ein paar Tage in der Halle der Winde Rast machte kannte eine Sage über diese Wesen, um die sich viele Geschichten und Mythen rankten und auch in alten Schriften der Halle konnte ich ein paar Worte über diese Wesen finden.

Ich war damals ein Narr. Am Abend vor dem Zwischenfall hatten Bendar und ich noch gemeinsam getrunken, so glaubte ich zumindest. Ich achtete nicht darauf, dass Bendar jedesmal, wenn er aufstand um unsere Krüge zu füllen, immer nur meinen Krug befüllte und aus seinem eigenen gar nicht trank. Andermänner vertrugen offenbar keinen Alkohol, so sagte der Skalde, und dies deckte sich auch mit meiner Erkenntnis über Bendars Trinkverhalten.

Seitdem war viel Wasser den Bodir heruntergeflossen, wie man in Thorwal sagte.

Ich beschloss noch eine Runde um die Halle zu gehen. Etwas Bewegung und noch mehr frische Luft würden mir gut tun.
So nahm ich meinen Stab und trat in den Gang vor meinem Zimmer. Doch noch bevor ich den Gang komplett durchschritten hatte kam Olef um die Ecke gerannt. Er wirkte sehr aufgeregt und prallte fast auf mich. "Ragnar, Ragnar, da ist ein fremder Mann für Dich". rief er aufgeregt und lauter als es notwendig gewesen wäre.
Ein fremder Mann der mich suchte? Mir zog sich der Magen zusammen als sich unangenehme Erinnerungen in meinen Kopf schlichen.
"Sag ihm, dass ich gleich bei ihm bin". trug ich Olef auf, der sofort kehrt machte und wieder hinter der Ecke verschwand.
Ich drehte um und ging zurück auf mein Zimmer. Eilig nahm ich mein Beil, das neben meinem Tisch an der Wand ruhte. Es fühlte sich ungewohnt an es wieder in der Hand zu halten... war es schon so lange her?
Ich steckte das Beil in meinen Gürtel und warf mir einen leichten Umhang über, der das Beil verdeckte. Danach rieb ich mir kurz die Schläfen, was mir immer half mich auf eine Sache vorzubereiten. Entschlossen verließ ich mein Zimmer und ging in Richtung der Eingangshalle.

Als ich die Halle betrat sah ich einen mittelgroßen Mann mit mittelreichischem Äußerem. Auf seinem Überwurf prangerte das Zeichen der Beilunker Reiter. Mit festem Blick sah er mir entgegen.
"Seid Ihr Ragnar Starkardsson?" fragte er mit fester Stimme, noch bevor ich auch nur in seine Nähe kam. Es kamen oft Boten der Beilunker Reiter in der Halle an. Meist brachten Sie Botschaften von Magistern auf Reisen oder anderen Akademien, die noch Sympathie zur Halle der Winde hegten, doch dieser Bote war mir vollkommen fremd. Ich war mir sicher, dass ich ihn noch nie hier gesehen hatte.
Langsam schritt ich auf ihn zu, blieb aber zwei Schritt von ihm entfernt stehen. "Der bin ich, der Junge wird es bezeugen können" antwortete ich. Der Mann trat sofort einen Schritt nach vorne, worauf ich einen Schritt nach Hinten tat. Meine Hand fand zum Axtblatt, das ich unter dem Umhang spürte. Der Mann blieb verdutzt stehen. "Sagt mir, wer hat Euch zu mir geschickt?" fragte ich mit fester Stimme. " Der Absender wurde mir nicht genannt, Herr, wie es oft auf äusserst wichtigen Botengängen der Fall ist". Mit diesen Worten zog er einen Umschlag aus der Tasche und streckte ihn mir entgegen. "Wenn Ihr die Botschaft nun bitte entgegennehmen würdet, Herr, ich muss weiter." Mein Blick wanderte vom Umschlag zu dem Gesicht des Mannes. Ungeduld liess sich in seinem Blick erkennen. Olefs Augen wanderten zwischen mir und dem Mann hin und her, unschlüssig, was er tun sollte.
Schliesslich tat ich einen schnellen Schritt auf den Mann zu und nahm den Umschlag. In einer flüssigen Bewegung zog der Mann eine kleine Rolle Pergament aus einer Lederröhre und hielt es mir mit einem Stück Kohle entgegen. "Wenn Ihr bitte den Empfang der Nachricht bestätigen würdet..."
Mein Mißtrauen schwand etwas. Dieses Verhalten war typisch für einen Beilunker Reiter.
Ich unterschrieb das Pergament, dass in einer mindestens ebenso flüssigen Bewegung zusammengerollt und wieder in der Lederröhre verstaut wurde.
Der Reiter verbeugte sich kurz, drehte sich um und verließ die Halle.

Olef kam aufgeregt zu mir. " Eine Nachricht von einem unbekannten Absender? Wie aufregend. Mach schon auf Ragnar, es ist bestimmt wichtig.".
Ich trat an einen der Feuerkörbe, die die Halle erhellten und öffnete den Umschlag. Er trug ebenfalls das Symbol der Beilunger Reiter. Er schien echt zu sein.
In dem Umschlag steckte ein Papier, das gefaltet und versiegelt war. Das Siegel selbst trug das Zeichen des Praios. "Was habe ich denn mit Praios zu schaffen." brummelte ich zwar leise aber für Olef noch immer hörbar vor mich hin.
Ich brach das Siegel und entfaltete das Papier.
Meine Augen wanderten schnell über die Zeilen, nur um dann kurz innezuhalten und erneut von vorne zu beginnen.
Nachdem ich das Schreiben ein zweites mal gelesen hatte wirbelten mir tausende Gedanken im Kopf herum. "Scheisse..." rief ich laut und drehte sofort um und ging in Richtung meines Zimmers.
"Olef.... OLEF" rief ich. "Ja Ragnar?" kam es aufgeregt von hinter mir. "Mache mir ein Pferd bereit und packe mir Proviant für mindestens zwei Wochen. Ich reise noch heute Abend ab."
"Was heute noch" fragte mich Olef keuchend, der mit meinem schnellen Schritt nicht mitkam.
"Ja, heute noch, Olef, und wenn DU nicht bald anfängst alles vorzubereiten trete ich dir so in den Arsch, dass du zum Stall fliegst." antwortete ich.
"In Ordnung, ich bin schon auf dem Weg." rief Olef, der sich bereits entfernte.

In meiner Stube angekommen nahm ich meinen alten Rucksack aus dem Schrank, den ich seit meiner Reise aus der Khom nicht mehr benötigt hatte. Ich packte alles hinein was ich für wichtig hielt und sich darin verstauen ließ.
Meinen Reiseumhang nahm ich ebenfalls aus dem Schrank. Schnell legte ich mir meine Reisekleidung und die Krötenhaut an. Merkwürdig, wie gewohnt einem die Handgriffe von der Hand gingen, obwohl sie seit Jahren nicht mehr getan wurden.
Ich packte meine Farben, Schnitzmesser und Pinsel in den Umhängebeutel, den ich mir habe eigens für diese Werkzeuge habe anfertigen lassen. Sollte einer der Tigel zerbrechen, würde er mir nicht mein ganzes Gepäck verschmutzen.
Nach wenigen Minuten kam Olef herein."Ich habe Dir den grauen Stipen gesattelt, der Proviant ist bereits in den Satteltaschen, Ragnar." Er lächelte, wohl weil er annahm, gerade den Beginn eines Abenteuers mitzuerleben.
Er hat mich während seiner Anwesenheit in der Halle wohl auch noch nie so aktiv gesehen. Tatsächlich spürte ich wie das Leben wieder in meinen Adern pulsierte.

"Sag allen Bescheid dass ich dringend fort musste. Ich werde eine Botschaft senden, so schnell es mir möglich ist." sagte ich zu Olef, der noch immer neben mir stand.

"Ragnar, was ist denn los, was steht in dem Schreiben" fragte er mich mit großen neugierigen Augen.
Ich legte ihm meine Hand auf die Schulter. "Vergangenheit und Erinnerung, die ich inzwischen nur all zu gerne verdrängt hatte, haben mich eingeholt. Mehr kann ich dir jetzt nicht erklären".
Ich klopfte ihm auf die Schulter, nahm meinen Stab, überprüfte ob ich auch an alles gedacht hatte und verließ schnellen Schrittes meine Kammer.

Olef folgte mir wieder. "Und wohin gehst Du jetzt, Ragnar?".
Ich gehe nach Baliho, Olef, ich gehe nach Baliho. Und ich hoffe dort Freunde zu treffen."
"Baliho, das habe ich ja noch nie gehört, wo liegt das denn?" rief Olef, der inzwischen stehen geblieben war.
"Das ist weit weg... sehr weit weg" rief ich über die Schulter zurück.

Das Eingangstor der Halle fiel schwer hinter mir zu. Das Pferd stand angebunden neben der Tür und blickte mir neugierig entgegen.
Es war inzwischen Nacht geworden, doch das Madamal und die Sterne erhellten die Nacht zur genüge, so dass ich noch weit reisen konnte.

Kurz bevor ich losritt blickte ich erst noch einmal zur Halle, dann auf den Weg zu mir. Mein Blick verfinsterte sich." Scheisse... musste ja so kommen". brummelte ich zu mir selbst und ritt los.

[ Editiert von Ragnar Starkardsson am 21.11.13 8:26 ]

[ Editiert von Ragnar Starkardsson am 21.11.13 8:31 ]

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Stärke wächst nicht aus körperlicher Kraft - vielmehr aus unbeugsamen Willen.

Mahatma Gandhi

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